Fragen & Tipps rund um den Alltag mit dem Tierschutz-Hund

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Hunde aus Italien in ihrem neuen Zuhause oft ähnliche Verhaltensmuster zeigen und bei den frisch gebackenen Hundehalter*innen immer wieder die gleichen Fragen auftauchen. Daher haben wir die gängigsten Herausforderungen nach Themenbereichen sortiert und – nach Möglichkeit – unsere Tipps dazu zusammengefasst.

Teil 1 Mahlzeiten, Teil 2 Leben im Haus, Teil 3 Bewegung und Beschäftigung, Teil 4 Gesundheit

Viel Spaß beim Lesen!

 

Teil 1: Mahlzeiten

 

Stubenrein – Ja/Nein?

Kein Tier möchte sein Nest verunreinigen. Doch die meisten unserer Toskana-Hunde haben bisher auf engstem Raum in Zwingern gelebt. Da sie keine andere Möglichkeit hatten, erledigten sie ihr Geschäft eben da, wo Platz war, also in ihrem „Nest“. Für unsere Frisch-Adoptierten heißt das: Sie werden wahrscheinlich einige Male in die Wohnung machen. Weil sie es noch nicht besser wissen. Manchmal ist es auch die Aufregung nach der langen Reise und den neuen Eindrücken, die ein Missgeschick verursachen kann. Das gilt übrigens nicht nur für Welpen, sondern für Hunde jeden Alters. Räumen Sie am besten die wertvollen Teppiche beiseite, bevor der neue Hund ankommt.
Es kann aber auch das genaue Gegenteil eintreten und der Hund „weigert“ sich, sich zu lösen. Auch das hängt mit der ungewohnten, neuen Umgebung oder mit einer Futterumstellung zusammen. Da Hunde recht schnell (Gassi-)Routinen annehmen, behebt sich letzteres Problem im Normalfall mit der Zeit von selbst.

 

Das hohe Lied der Fütterung

Viele Interessenten fragen, was sie dem neu adoptierten Hunden füttern sollen. Wir empfehlen meist Trockenfutter, da die Hunde dieses vom Aufenthalt im Tierheim oder in der Auffangstation gewöhnt sind. Allerdings heißt das nicht, dass alle Hunde nur Trockenfutter mögen oder vertragen. Kaufen Sie am besten nicht gleich 100 kg Futter auf Vorrat, sondern testen Sie erst kleinere Mengen, was davon Ihr Hund mag und langfristig gut verträgt. Auch die richtige Tagesration muss man mit der Zeit individuell herausfinden. Die Angaben auf den Futterpackungen sind Durchschnittswerte und jedes einzelne Tier ist eben anders. 
Die „richtige“ Fütterung wird unter Hundehalter*Innen oft emotional diskutiert und von den Futterherstellern mit allen möglichen (Heils-)Versprechen noch angeschürt. Davon braucht man sich aber nicht verunsichern lassen.

 

Geselliges Frühstück oder einsamer Mitternachtssnack?

Manche Hunde haben traumatisierende Erlebnisse hinter sich, die sie nicht so einfach ablegen können. Es gibt Hunde, die nach Ankunft in ihrem neuen Zuhause erst dann losfuttern, wenn jemand daneben steht. Andere essen nur nachts, wenn sie sich ungestört fühlen und das Licht aus ist. 
Falls das bei Ihrem Liebling der Fall ist, können Sie unbesorgt sein. Das kommt häufiger vor. Meistens stellt sich mit der Zeit eine (Essens-)Routine ein. Bedrängen Sie Ihren Hund nicht, machen Sie kein großes Heckmeck aus dem Füttern. Probieren Sie aus, wo und wann Ihr Hund sich beim Essen am wohlsten fühlt.

Übrigens:

Manche Hunde verschmähen teuer gekaufte Leckerlis, schnappen sich aber gleichzeitig mit Vorliebe vergammelte Essensreste von der Straße… Passen Sie daher auf, was Ihr Hund draußen aufnimmt.

 

Teil 2: Leben im Haus

 

Wie man sich bettet…

Stellen Sie sich vor, Sie wären in einem Gefängnis geboren: Sie hätten auf hartem Beton oder der nackten Erde gelegen, hätten nur ein windiges Dach über sich gehabt, wären im Sommer der Hitze, im Winter der Kälte und der Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen… und auf einmal stellt man Ihnen ein fremdartig aussehendes, ungewohnt riechendes Objekt vor die Nase, von dem Sie keine Ahnung haben, was Sie damit anfangen sollen. So etwa muss das für viele Hunde sein, die plötzlich ein weiches Kissen, ein Körbchen oder sogar das Sofa entdecken – es ist ein bisher nie da gewesener Luxus. Wundern Sie sich also nicht, wenn der neue Vierbeiner den blanken Fußboden dem Hundekorb vorzieht.
Andere Hunde wollen gleich am ersten Abend mit ins (Menschen-)Bett. Wir raten davon meistens ab. In manchen Fällen führt das Erobern der erhabenen Plätze „Sofa“ oder „Bett“ nämlich dazu, dass der neue Hund sie als seine Ruheplätze betrachtet und verteidigt. Die meisten Hunde akzeptieren nach einiger Zeit sehr gut, welcher Platz für sie gedacht ist. Daher sollten Sie einfach vor Ankunft des Hundes für sich klären, wohin er darf und wohin nicht.

 

Spuk im Haus

Der Staubsauger ist nur ein Beispiel einer langen Liste an Dingen vor denen Ihr Liebling aus dem Auslandstierschutz Angst haben kann. Manche Hunde haben nie eine Treppe betreten und verstehen überhaupt nicht, wie sie dieses verrückte Hindernis bewältigen können. Anderen macht ein glatter Fußboden zu schaffen. Regenrinnen, scheppernde Bauzäune, laute LKWs… Nicht nur Objekte im und außerhalb des Haushaltes können die Quelle von Unsicherheiten sein. Manche Hunde haben Angst vor Unbekannten oder auch spezifischen Menschengruppen, z.B. großen Männern. Seien Sie im Grunde auf alles gefasst. Denn wir können im einzelnen nicht wissen, was die Hunde bei ihren Vorbesitzern erlebt haben und was ihnen Angst macht. Viele Unsicherheiten lösen sich mit der Zeit und der Eingewöhnung mehr oder weniger von alleine auf. Sollten Sie allerdings bemerken, dass Sie einen sehr ängstlichen Hund haben oder die Angst sich mit der Zeit verstärkt, ist auf jeden Fall ein/e kompetente/r Hundetrainer*in zu Rate zu ziehen.

 

Starr vor Angst oder aufgedrehter Brummkreisel?

So wie wir menschlichen Tiere haben auch Hunde individuelle Temperamente. Deshalb kann es sein, dass der neu eingezogene Tierschutzhund ganz anders auf seine neue Umgebung reagiert als z.B. sein Tierschutzhund-Vorgänger. Zwei Verhaltensmuster kommen häufig vor: Der eine Hund reagiert bei Stress mit Skepsis, extremer Vorsicht und Zurückhaltung. Dieser Typus traut sich vielleicht nicht, andere Zimmer der Wohnung zu betreten und erschrickt leicht vor unbekannten Geräuschen.
Das entgegengesetzte Verhalten ist bei dem „Aufdreher“ möglich: Die neue Umgebung ist wahnsinnig aufregend für ihn, alles muss beschnuppert werden. Die vielen neuen Eindrücke lassen diesen Kandidaten gar nicht zur Ruhe kommen – er dreht frei wie ein Brummkreisel. Wie sollten Sie als Hundehalter*in darauf reagieren? Dem Angsthasen lässt man richtig viel Zeit sich zu akklimatisieren. Alle Handlungen an und mit dem Tier müssen behutsam auf ihn abgestimmt werden. Den Aufdreher bringt man hingegen nicht, wie viele meinen, mit einem ausgedehnten Sportprogramm zur Ruhe, sondern tatsächlich indem man selbst mit Ruhe agiert und vermittelt. Beiden Hunde-Typen tun übrigens Routinen und entspannende Beschäftigung gut.

Mehr Tipps und Hinweise dazu finden sie hier in unserem Leitfaden.

 

Parties und Besuch

Sie haben es vielleicht in einem unsrer Ratgeber schon einmal gelesen: Warten Sie mit der Willkommensparty für Ihren vierbeinigen Mitbewohner (oder streichen Sie sie ganz). Der Hund muss zu Beginn mit reichlich unbekannten Dingen klarkommen und sie für sich verarbeiten. Viele neue Menschen auf einem Haufen, die den Hund anschauen und ihn streicheln wollen, werden ihn sehr wahrscheinlich überfordern. Sollte ihr Hund gestresst auf Besuch reagieren, müssen Sie ihm die Möglichkeit bieten, sich zurückzuziehen. Unbekannten Personen sollte er sich in seinem Tempo nähern dürfen. Versuchen Sie sich in den Hund hineinzuversetzen: Man selbst mag es ja auch nicht, wenn sich jemand ohne Individualdistanz aufdrängt und einem ungefragt den Kopf tätschelt.

 

Knallerei an Silvester

Für viele Tiere ist Silvester die wahrhaft beschissenste Zeit des Jahres. Woran liegt das? Was unsere Hunde betrifft, so versuchen viele Jäger in Italien sie mit kruden Methoden schussfest zu machen. Da sicher niemand die schlimmen Erinnerungen, die die Hunde mit Knallgeräuschen verbinden, noch verstärken möchte, sollte man am besten auf Feuerwerk verzichten. Versuchen Sie mit Ihrem neuen hündischen Mitbewohner den Silvesterfeiern zu entgehen. Ist dies nicht möglich, schaffen Sie ihrem Hund einen Rückzugsort in der Wohnung, wo er nach Möglichkeit das Feuerwerk nicht sieht (Fenster verhängen) und nicht hört. (Kann man übrigens auch bei Angst vor Gewitter anwenden.) Manche Hunde suchen sich selbst einen Platz im Haus, der ihnen Schutz bietet, wie die Dusche oder unter dem Bett. Andere Hundehalter*innen haben gute Erfahrungen damit gemacht, den Hund zuzudecken.

Übrigens:

Wir raten ohnehin dazu, den Hund aus dem Auslandstierschutz generell mit einem Panik- oder ausbruchsicherem Geschirr zu führen. In der Zeit um Silvester ist so ein Geschirr unabdingbar!

 

Alleinebleiben

Wie lange kann und darf man einen Hund alleine zu Hause lassen? Eine Stundenzahl, die man immer wieder liest, sind 6 Stunden am Stück. Manche Hunde aus dem Auslandstierschutz haben kein Problem damit, wenn für einige Zeit (!) keiner da ist und sie alleine bleiben müssen. Für andere stellt das eine große Stresssituation dar. Für Hunde, die mit dem Alleinsein nicht zurechtkommen, sind oft schon ein paar Minuten ein Problem. Von daher muss jede/r neue Hundehalter*in erst einmal herausfinden, wie sein/ihr Hund grundsätzlich auf das Alleine-gelassen-werden reagiert und es entsprechend trainieren. Zu planen einen Hund zu adoptieren und ihn während der kompletten Wochenarbeitszeit, sprich 8-10 Stunden pro Tag allein zu lassen, ist nicht vertretbar.
Für Berufstätige gibt es auch Lösungen: Sei es ein/e Hundesitter*in, eine Hundetagesstätte oder ein Dog Walking Service. Zu letzterem gibt es einen Erfahrungsbericht hier.

 

Teil 3: Bewegung und Beschäftigung

 

Die Gassi-Runde

Bisher hat Ihr Liebling in einem Tierheim oder Zwinger gesessen und keine regelmäßigen Spaziergänge genossen. Wir empfehlen für den Anfang (je nach Gesundheits- und mentalem Zustand des Hundes) eine nicht zu lange, gleichbleibende Gassirunde einzuführen.
Das bietet einige Vorteile: Der Hund lernt seine Umgebung kennen und wird nicht mit zu vielen neuen Eindrücken bombardiert. Außerdem haben manche Hunde eine schlechte Muskulatur (aufgrund mangelnder Bewegung oder schlechter Ernährung) und müssen ihre Kondition erst aufbauen. 
Sie würden auch nicht erwarten, dass jemand der monatelang nur auf der Couch herumgesessen hat, plötzlich aufsteht und ein Marathon-Trainingsprogramm absolviert…
Doch: Jeder Hund ist individuell und jeder verkraftet den Tierheimalltag anders, der eine besser, der andere schlechter. Es in der Anfangszeit ruhig angehen zu lassen, ist in jedem Fall kein Fehler.

 

Meiner spielt nicht

Man meint es gut und deckt sich erst mal mit Bällchen, Gummiknochen und Zergeln ein. Dann ist endlich der Hund da – und interessiert sich gar nicht für die ganzen tollen Sachen. Keine Panik! Das ist völlig normal. Manch einer entdeckt die Freude an Spielzeug etwas später, nach der Eingewöhnungsphase, andere gar nicht. Was aber wirklich kein Drama ist (es sei denn, Sie wollten unbedingt Bällchen spielen…). 
Hunde aus dem Auslandstierschutz kann man auch ohne Spielzeug gut beschäftigen, z.B. ein paar Leckerlis im Wuschelteppich verstecken und suchen lassen.

Übrigens:

Hunde aus der Toskana werden häufig in der Meute gehalten (z.B. Beagle, Segugio, Ariégeois) und sind meist sehr sozial. Daher stellen Artgenossen oft kein Problem dar. Anders ist es bei eingeschüchterten Hunden: Respektieren Sie, wenn Ihr Hund andere Hunde meiden möchte. Hunde, die sich sicher fühlen und eingelebt haben, fangen meist von alleine an, mit anderen zu spielen.

Tipp: Immer bekannter wird das „gelbe Tuch“ oder die „gelbe Schleife“ am Halsband oder an der Leine von unsicheren Hunden als Hinweis für andere Hundehalter*innen. Damit signalisiert man, dass der Hund extrem unsicher ist und sie besser Abstand halten.

 

Locker an der langen Leine

Für die sichere Bewältigung des Alltags sollte ein Hund an der Leine laufen können. Manche Hunde aus dem Tierschutz verstehen einfach auf Anhieb wie das geht. Manch andere ziehen an der Leine oder fürchten sie sogar. Für Hunde die ziehen oder die ängstlich sind, ist eine Flexi-Leine nicht geeignet. Auch ein Halsband, als einzige Sicherung am Hund ist mehr als bedenklich: Der Hundehals kann durch intensives Ziehen oder einen starken Ruck an der Leine verletzt werden. Ein gut sitzendes Geschirr und ein Halsband zusammen sind auf jeden Fall besser, da der ziehende Hund nicht gewürgt wird, sollte er sich in die Leinen hängen.

Zum richtigen Sichern eines Hundes aus dem Tierschutz siehe auch „Anti-Ausbruchsguide“ hier.

Was man leider immer wieder sieht und was nicht korrekt ist, ist eine Schleppleine am Halsband zu befestigen. Ein Hund der ein, zwei Meter Anlauf nimmt und in sein Halsband rennt, bekommt es ganz sicher schmerzhaft zu spüren. Aber ein Hund, der fünf Meter Anlauf nimmt, hat eine noch viel höhere Geschwindigkeit aufgebaut und rennt volles Tempo in sein Halsband. Das tut schon weh beim Hinsehen.
 Die sogenannte Leinenführigkeit kann man mit vielen hundefreundlichen Erziehungsmethoden trainieren. Stellt das für Sie im Alleingang eine zu große Herausforderung dar, ist der Besuch einer Hundeschule dringend angeraten. Menschen, die ihre Hunde als „Korrektur“ am Halsband rucken oder reißen, sind vergleichbar mit Eltern, die ihre Kinder mit Ohrfeigen bestrafen. Ein ganz klares No-Go.

 

Freilaufen und Jagdverhalten

Da die Hundehilfe Toskana zahlreiche aus Jagdbeständen stammende Hunde vermittelt, kommt häufig die Frage, wann man den adoptierten Hund freilaufen lassen kann und ob er möglicherweise andere Tiere jagen wird. Beides ist nicht eindeutig zu beantworten. Manche Hunde haben die Tendenz sich eher näher bei ihrem/r Halter*in zu bewegen, andere haben einen großen Bewegungsradius. Bis man einschätzen kann, wie weit der Hund sich entfernen wird und bis ein zuverlässiger Rückruf antrainiert ist, sollte man den Hund auf freiem (sprich nicht umzäuntem) Gelände keinesfalls freilaufen lassen.
Grundsätzlich kann jeder Hund (nicht bloß die, die man als Jagdhunde bezeichnet) Jagdverhalten zeigen. Daher ist es auch wichtig zu wissen, wo man den Hund freilaufen lassen möchte, also in wildreicher (z.B. in katzen- und eichhörnchenreicher urbaner Umgebung) oder wildarmer Gegend. Auf alle Fälle ist es vernünftig mit dem Freilauf zu warten und mit einer Schleppleine zu arbeiten.

Für einen ersten Einblick ins Anti-Jagdtraining unser Artikel zum Thema hier.

Übrigens:

Ihre anderen Haustiere (z.B. Katze, Kaninchen) werden unter Umständen von Ihrem Hund auch als Beute angesehen. Sie sollten daher das Zusammentreffen Ihrer bereits vorhandenen Haustiere und dem neuen Hund nur unter Aufsicht und unter Sicherheitsvorkehrungen stattfinden lassen. Katzen brauchen dafür Fluchtwege und Rückzugsmöglichkeiten, der Hund unter Umständen einen Maulkorb. Was es bei der Zusammenführung von Haustieren und dem neuen Hund zu beachten gibt, steht hier.

 

Freigang im Garten

Wer über ein Gartengrundstück verfügt und dem Hund so Freilauf ermöglichen kann, sollte vor Ankunft des Tierschutzhundes die Umzäunung auf Löcher überprüfen und gegebenenfalls ausbessern oder sogar erhöhen. Verstehen Sie das bitte nicht als freundschaftlichen Ratschlag, sondern als dringenden Appell!
Da unsere Schützlinge aus Italien ganz andere Überlebensstrategien entwickeln mussten – als die Mehrheit der Hunde, die in einer deutschen Familie aufgewachsen sind – ist ein unbeaufsichtigter Freigang im Garten vor allem in der ersten Zeit nach Ankunft nicht zu empfehlen. Warum? Der Neuankömmling ist noch nicht mit Ihnen und Ihrem Grundstück so verbunden, dass er nicht die Chance auf einen Ausbruch nutzen würde. Die Düfte und Reize außerhalb des Gartens können extrem verführerisch auf ihn wirken. Außerdem reicht ein unachtsam geöffnetes Gartentürchen und der Hund ist weg. Ein Hund kann in wenigen Stunden eine beachtliche Strecke zurücklegen und eine Suche mit allem Pipapo (Aushänge, Wildtierkameras, Hunde-Suchstaffel, …) führt nur in manchen Fällen dazu, dass der Hund wiedergefunden wird.

 

Hundeschule und -sport

Jeder Hund braucht gemäß seinem Alter, seiner geistigen und physischen Verfassung Beschäftigung und Förderung. Je nach Vor-Erfahrung des/r neuen Hundehalter*in bietet sich der Besuch einer Hundeschule oder die stundenweise Buchung von Hundetraining im Einzelunterricht an. Dabei kann man an dieser Stelle kaum sagen, was für alle Mensch-Hund-Gespanne Gültigkeit besitzt. Wichtig ist, dass Hund und Halter*in gleichermaßen Freude am Training haben und „Erfolge“ nicht mit groben Strafen und Verbissenheit erzwungen werden. Welpen sollten auf jeden Fall die Möglichkeit bekommen, Gleichaltrige in begleiteten Welpenstunden zu treffen.

Übrigens:

Gelegentlich hört man, dass Hunde aus dem Tierschutz kein Talent haben sollen. Seien Sie sicher, dass das eines der beknacktesten Vorurteile ist, die kursieren. Nasenarbeit, Fährtenlesen oder Dummy-Training macht den meisten Hunde Spaß. Diese Sportarten bzw. Hobbies müssen überhaupt nicht in einem jagdlichen Kontext stattfinden, sondern werden in vielen ganz normalen Hundeschulen für Familienhunde angeboten.

 

4. Gesundheit

 

Erster Besuch beim Tierarzt

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie zum Zahnarzt gehen? Leicht und beschwingt oder eher nervös und besorgt? Für Hunde ist der Besuch einer Tierarztpraxis der letzteren Gefühlswelt zuzuordnen. Daher sollten Sie, wenn es kein Notfall oder eine akute Erkrankung ist, ihrem neuen Liebling nach Ankunft eine kleine Eingewöhnungsphase einräumen, bevor Sie ihn zum ersten Mal zum Tierarzt*in bringen. Gleiches gilt übrigens für den Besuch beim Hundefrisör. Den findet der Hund im Gegensatz zum Menschen nämlich meistens auch anstrengend. Siehe dazu auch unten zu Punkt „Körperpflege“.

 

Praxis Dr. Soft

Es lohnt auf jeden Fall sich in der Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis nach einer Empfehlung für eine/n guten Tierärzt*in umzuhören. Manche Tierärzt*innen haben schlicht keine oder wenig Erfahrung mit Hunden aus dem Auslandstierschutz. Jemand mit Erfahrung bietet für Sie mehrere Vorteile: Zum einen ist er oder sie mit verunsicherten oder ängstlichen Hunden vertraut und nimmt bei der Behandlung Rücksicht darauf. Zum anderen kennt er/sie sich möglicherweise besser mit Mittelmeerkrankheiten aus.

Tipp: Menschen, die extrem ängstliche Hunde haben, sollten nach einem/r Tierärzt*in mit Zusatzqualifikation in Verhaltenstherapie suchen.

Für mehr Info zur häufigen Mittelmeerkrankheit Leishmaniose unsere Artikel zum Thema hier.

 

Impfungen, Wurmkuren etc.

Die Hunde aus dem Ausland dürfen nur mit einem gültigen EU-Heimtierausweis einreisen und haben die dafür notwendigen Impfungen (z.B. gegen Tollwut) erhalten. Manche Impfungen sollten turnusmäßig aufgefrischt werden. Je nach Wohnort gibt es weitere regionale Krankheiten gegen die es sich zu impfen lohnt (Stichwort Leptospirose). Was sinnvoll ist, kann und muss Ihnen Ihr/e Tierärzt*in erläutern.
Die Hunde in unserem italienischen Partner-Tierheim werden zudem vor Ausreise auf Filarien (Herzwürmer) und die verbreitete Mittelmeerkrankheit Leishmaniose untersucht, außerdem entwurmt und gegen andere Parasiten (z.B. Flöhe) behandelt. Doch nach der letzten Wurmkur ist vor der nächsten Wurmkur – frisch entwurmt kann sich der Vierbeiner dennoch wieder irgendwo anstecken. Es empfiehlt sich daher einige Wochen oder wenige Monate nach Ankunft des Hundes einen Check Up in der Tierarztpraxis durchführen zu lassen – auch um eine Infektion mit einer Mittelmeerkrankheit auszuschließen.

Weitere häufige Erkrankungen: Viele Hunde stecken sich mittlerweile in Deutschland mit Giardien an. Die parasitären Einzeller können allerdings mit Medikamenten aus der Tierarzt-Praxis behandelt werden. Häufig bekommen Neuankömmlinge in Deutschland entzündete Augen (Bindehautentzündung). Bei Hunden mit langen, behaarten Schlappohren können Ohrenentzündungen hartnäckig sein. Für beide Erkrankungen gilt, dass ein/e Tierärzt*in die Ursachen bestimmen und die entsprechende Behandlung vorschlagen sollte.

 

Körperpflege

Manchen Hunden aus dem Ausland wurden nie die Krallen geschnitten. Wenn Sie damit keine Erfahrung haben, sollte dies in der Tierarztpraxis gemacht werden. Es kann sein, dass der Hund Angst vor dieser Prozedur hat. 
Ähnlich ist es mit Hunden, deren Haar regelmäßig geschoren werden sollte (z.B. Lagotto Romagnolo). Die Schur erhöht auf einem Tisch, mit summenden Schergeräten kann beim ersten Mal für einen Hund ziemlich beängstigend sein. Man sollte damit bis nach der Eingewöhnungszeit warten und den/die Hundefriseur*in im Vorfeld darüber informieren, dass es ein Hund aus dem Auslandstierschutz ist.
Im Übrigen hat Ihr Hund vermutlich eine andere Auffassung von angenehmem Körpergeruch als Sie: Viele (Jagd-)Hunde lieben es, sich in etwas für unsere Nasen unerträglich Stinkendem zu wälzen. War der Hund erfolgreich, steht meist ein Bad an. Bitte bedenken Sie, dass der Exil-Italiener zum ersten Mal im Leben eine Badewanne sieht. Legen Sie ein altes Tuch in die Wanne, als Anti-Rutsch-Unterlage. Verwenden Sie ein mildes Hundeshampoo (der pH-Wert ist auf Hunde abgestimmt) und seien sie behutsam.

 

Klimawandel

Ihr neuer Mitbewohner aus dem Süden hat zwar schon Wind und nass-kaltes Wetter erlebt, aber gerade die kurzhaarigen Hunde besitzen kein Unterfell. Hat der Hund unter schlechter Ernährung gelitten oder gerade einen Infekt überstanden, ist sein Immunsystem schon angegriffen. Es macht daher Sinn, dem Hund bei niedrigen Temperaturen einen gut sitzenden Hundemantel anzuziehen. Die Vierbeiner verbrauchen viel Energie, wenn sie frieren. Bei einem unterernährten Hund kann sich das zu einem ernsthaften Problem auswachsen. Zudem muss sich der ganze Organismus des südeuropäischen Vierbeiners erst an die hiesigen Witterungsverhältnisse gewöhnen.
Manche Menschen halten einen Hundemantel für „Verhätschelung“ oder Mode – nein, das ist er nicht. Der Mantel schützt ihren Hund vor Erkältungen. Außerdem trägt er, wenn der Hund eine kleine Frostbeule ist, zu seinem Wohlbefinden bei und das wiederum ist das, was dem/der guten Hundehalter*in das Herz aufgehen lässt.

 

 

 

Keiner da

Kann man Hunde (aus dem Tierschutz) alleine lassen?

 

Wichtige Hinweise für Interessent*innen & Neu-Hundehalter*innen

 

Vor kurzem gab es in dem jüngeren Ableger der ZEIT einen Bericht über eine Frau, die sich während des Lockdowns einen Hund aus dem Auslandstierschutz geholt hatte („Und nun zerlegt Lilly die Wohnung“, 12.6.21). Der Hund lebte vormals auf der Straße und wurde von einem Verein vermittelt. Die Studentin und ihr Freund besuchten die kleine Mischlingshündin auf ihrer deutschen Pflegestelle, bevor sie sie zu sich holten. Der Freund arbeitete auch während des Lockdowns ständig Vollzeit außer Haus. Die Studentin war ununterbrochen mit dem Hund zusammen bis sie nach einer Woche nach Adoption einen Arzttermin hatte und ihn zum ersten Mal allein zu Hause ließ. In dem Artikel stand dann schön beschrieben, was das kleine Hündchen in Abwesenheit von Herrchen und Frauchen geleistet hatte. Da war von Kratzspuren und zerbissenen Gegenständen die Rede. Es stellte sich also heraus, dass der Hund in Panik gerät, sobald er alleine gelassen wird. Der Artikel endet damit, dass der Hund leider abgegeben werden müsse, wenn er nicht in der nächsten Zeit lernt, alleine zu Hause zu bleiben, da ein Vollzeit-Praktikum anstünde und dann niemand mehr tagsüber da sei.

Leider scheint diese Geschichte exemplarisch dafür zu stehen, was gerade in Deutschland in einigen Haushalten passiert: während des Lockdowns wurde ein Hund in die Familie geholt und sobald die Beschränkungen im öffentlichen Leben zurückgenommen werden und die Normalität des Alltags wieder beginnt, stellt man sich die Frage „Kann der Hund allein zu Hause bleiben oder muss er weg?“.

 

Wir fassen die wichtigsten Punkte zum Thema Hund-alleine-zu-Haus-lassen und die Alternativen dazu hier zusammen:

 

1. Wie lange kann ein Hund allein bleiben?



In unseren Texten und während der Vermittlung weisen wir als Hundehilfe Toskana darauf hin, dass wir unsere Hunde gerne bei Menschen wissen, die nicht planen den Hund alleine zu lassen. Zumindest nicht übertrieben lange! Einem Vollzeitberuf von Montag bis Freitag nachzugehen und von 8:00 – 18:00 Uhr außer Haus zu sein und zu erwarten, dass der Vierbeiner in dieser Zeit ganz allein die Wohnung hütet, lehnen wir deshalb ab. Einem Hund, mit dem das Alleinebleiben trainiert wurde und er es gelernt hat (!), sind circa 4 – 6 Stunden zuzumuten. Aber auch das ist eine Verallgemeinerung und nicht auf jeden Hund zutreffend. Manche stecken es besser weg, andere weniger gut. Auf jeden Fall kann niemand erwarten, dass ein Hund wie in dem ZEIT-Artikel ohne Training und schon nach einer Woche ganz alleine in der Wohnung bleibt und das in Ordnung findet. Zu guter Letzt ist es immer noch ein ziemlich dröger Alltag, selbst wenn der Hund es gewohnt ist täglich 4 – 6 Stunden alleine zu bleiben.
Überlegen Sie es sich daher bitte ganz genau vor der Adoption eines Hundes, wie Sie Ihren Alltag mit dem Tier gestalten können. Welche Möglichkeiten es dafür gibt, steht in den nächsten Punkten.

 

2. Bürohunde…

…und Studien über ihre positiven Effekte auf das Arbeitsklima gibt es immer mehr. Selbstverständlich eignet sich nicht jeder Arbeitsplatz für den Aufenthalt eines Vierbeiners und nicht jeder Hund als Co-Kollege. Sprechen Sie am besten vor Adoption mit Ihren Vorgesetzten und Kolleg*innen, ob Sie einverstanden sind, wenn Sie einen Hund mitbringen. Wenn Zweifel bestehen, lässt sich möglicherweise ein Kompromiss finden, z.B. dass der Hund nur jeden zweiten Tag mit ins Büro kommt oder es eine anfängliche Probezeit gibt. Sollte Ihr Hund diese Probezeit nicht bestehen oder aus weiteren Gründen (z.B. weil er sich partout nicht mit den anderen Bürohunden versteht) nicht mehr mitkommen können, müssen Sie einen Plan B haben! Siehe daher auch Punkt Nr. 4.

 

3. Notfallplan



Es kann auch bei Menschen, die eigentlich im Homeoffice arbeiten oder einfach permanent daheim sind, von einem Moment auf den anderen passieren, dass sie das Haus verlassen müssen und der neu adoptierte Hund plötzlich alleine ist. Hätten Sie in so einer Situation jemanden, den sie kurzfristig anrufen und bitten könnten, spontan auf den Vierbeiner aufzupassen? Diese „Notfall“-Person (Nachbar/in, Freund/in, Bekannte/r, Arbeitskolleg/in …) muss der frisch adoptierte Hund auf jeden Fall kennenlernen und akzeptieren. Laden Sie diese Person mehrfach zu sich nach Hause ein und trainieren Sie, wie Sie für kurze Momente das Haus verlassen. Wie verhält sich der Hund? Gerät er in Panik, obwohl jemand anderes anwesend ist? Das wäre ein sicheres Zeichen dafür, dass man die Notfall-Betreuung noch kleinschrittiger und geduldig trainieren muss. Gleiches gilt für den Aufenthalt in einer dem Hund unbekannten Wohnung.

 

4. Gassi-Service und HuTa

Bei einem Vollzeitjob-Alltag ist es sinnvoll, sich nach guten Hundebetreuungsangeboten umzusehen. Es gibt viele verschiedene Modelle: vom stundenweisen Gassi- oder Dog Walking Service, der den Hund zu Hause einsammelt und auf einen längeren Spaziergang in den Wald mitnimmt, über Hundetagesstätten, die ähnlich wie KiTa oder Kindergarten funktionieren, hat sich mittlerweile eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten entwickelt und das sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Informieren Sie sich bitte vor Adoption über Angebote in Ihrer Umgebung und über deren Preise. Es macht absolut Sinn sich telefonisch oder sogar vor Ort bei der HuTa, der Tierpension oder dem Gassiservice nach freien Plätzen und den vorhandenen Erfahrungen und Qualifikationen zu erkundigen. Nicht jede/r kann oder möchte sich mit einem eventuell umweltunsicheren oder ängstlichen (Auslandstierschutz-)Hund auseinandersetzen. Vereinbaren Sie dann einen (oder mehrere) Probetag(e) für Ihren Hund und werfen Sie ihn nicht ins kalte Wasser.

💡 Was ein Dog Walking Service genau macht, haben wir hier in einem Erfahrungsbericht beschrieben.

 

5. Trainieren statt frustrieren

Man sollte sich mental im Vorfeld darauf einstellen, dass der neue Hund das Alleinebleiben sehr wahrscheinlich nicht beherrscht. Wir sind alle – Hunde und Menschen – soziale Tiere. Wir brauchen Gesellschaft – vor allem die, die wir schätzen und die uns Sicherheit und Freude gibt. Probieren Sie deshalb einfach nach ein paar Tagen nach Ankunft des neuen Hundes aus, wie viel Alleinsein er erträgt. Für manche ist es schon schwierig, wenn Sie für ein paar Minuten alleine ins Badezimmer gehen wollen… Merken Sie, dass Sie einen extrem unsicheren oder ängstlichen Hund haben, dann kontaktieren Sie am besten zeitnah eine/n erfahrene/n Hundetrainer*in und schmieden Sie gemeinsam einen Trainingsplan. So ein Training lässt sich nicht innerhalb einer Woche abschließen, das sollte Ihnen bewusst sein. Jedoch kommen die Erfolge mit der Kontinuität des Trainings – von daher: DRANBLEIBEN hilft.

💡 Wie man den/die richtige/n Hundetrainer*in auswählt, haben wir in einem Text beschrieben: hier.

 

6. Urlaubspläne

Traurig aber wahr: Haustiere werden vermehrt während der Urlaubssaison abgegeben oder sogar ausgesetzt. Wenn man sich Monate Zeit nimmt, um die Ferien zu planen, muss auch Zeit dafür da sein, sich um eine adäquate Betreuung für das vierbeinige Familienmitglied zu kümmern. Wenn Sie auf Ihren Urlaub auf Ihrem Dauercampingplatz oder in Ihrem Lieblingshotel keinesfalls verzichten wollen, dann erkundigen Sie sich bitte vor einer Adoption, ob dort Hunde gestattet sind. Gleiches gilt für Restaurantbesuche: wenn man bei Reservierung kurz anfragt, ob es in Ordnung ist, wenn ein Hund mitgebracht wird, kann man unangenehme Situationen vermeiden. Es kann nicht schaden, sich bei Fluglinien über die Mitnahmebedingungen von Hunden zu erkundigen. Zumindest weiß man dann im Vorfeld bescheid, ob man seinem Vierbeiner einen Flug zumuten kann und möchte oder nicht. Soll der Hund für die Zeit des Urlaubs in eine Hundepension oder zu Verwandten, dann planen Sie die Zeit für die Eingewöhnung mit ein.

 

 

Aus Sicht der Hunde:

 

Ein Hund aus dem Auslandstierschutz hat einfach keinen lückenlosen Lebenslauf. Wir als Verein, die Vermittler*innen und selbst unsere sehr engagierten und ortskundigen Tierschützer*innen in Italien können die Vorgeschichte unserer Hunde nicht ganz genau kennen. Das muss unbedingt mit eingepreist werden, wenn man sich für einen Hund aus dem Auslandstierschutz entscheidet. Selbst wenn der Hund das Alleinbleiben auf einer Pflegestelle schon geübt hat und akzeptiert, ist das keine Garantie, dass er es ebenso in seinem neuen Zuhause beherrscht. Zumal die Hunde meist aus – aus ihrer Sicht – völlig instabilen Verhältnissen stammen und dann noch die Erfahrung des Aufenthalts in einem lauten Tierheim machen, um anschließend an einen ihnen völlig unbekannten Ort gebracht zu werden, an dem ihnen viele Dinge und Geräusche fremd sind. Das sind die Gründe warum man die Neuankömmlinge aus dem Auslandstierschutz nicht mit seinen eigenen Erwartungen („Muss jetzt lernen allein zu bleiben. Soll sich benehmen und ruhig sein. Soll mit allen Menschen und Tieren klarkommen. Soll einfach funktionieren.“) überfrachten darf. Es braucht Zeit und auch die nötige Unterstützung, dass der Hund ankommen kann und sein neues Zuhause annimmt und sich darin wohl fühlt. Eine Woche reicht dafür definitiv nicht aus.

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