Antijagdtraining – wozu?

Eine Einführung ins Jagdersatztraining vom Hundetrainer

 

Was tun, wenn „Fiffy“ jagen geht? Viele unserer Schützlinge wurden in Italien zur Jagd eingesetzt. Daher ist es bei einigen dieser Hunde wahrscheinlich, dass die Jagdpassion auch in ihrem neuen Leben, bei gebotener Gelegenheit, wieder entfacht wird. Aber auch Hunde, die in ihrem früheren Dasein nicht jagdlich geführt wurden, können diese Leidenschaft für sich entdecken. Das bedeutet für den neu eingebürgerten Toskana-Hund: An die Leine! Und zwar so lange, bis man ihn, seine Jagdambition und sein sonstiges Verhalten wirklich einschätzen kann. Das kann, je nach Individuum, auch mal ein paar Monate (und länger) dauern.

Hat man nun einen solchen Springinsfeld bei sich aufgenommen, herrscht absoluter Handlungsbedarf. Aus vielen Gründen: Das Hetzen oder gar Töten von anderen Tieren ist laut Tierschutzgesetz verboten. Ein gejagter Hase macht vielleicht auf der Flucht nicht Halt vor der Autobahn und bringt dann nicht nur sich und den Hund in Gefahr. Zudem darf ein Jäger laut Jagdgesetz jagende Hunde erschießen.

Die Leine am Hund ist ein guter erster Schritt, ändert aber nichts an der Motivation jagen zu gehen. Will man den Hund später auch frei laufen lassen, ist es empfehlenswert ein sogenanntes Antijagd- oder Jagdersatztraining durchzuführen.

 

 

Woher kommt die Lust zu Jagen?

 

Der Hund ist ein Beutegreifer – darum gehört das Jagen zu seinem normalen Verhalten.
Die drei Hauptursachen für das Zeigen von Jagdverhalten sind:

  • Überleben
    Hunger als Motivation zu jagen spielt bei unseren neuen Lieblingen (hoffentlich) keine Rolle mehr, da sie ja von uns gehegt und gepflegt werden.
  • Genetik

    Viele Hunderassen werden schon seit Jahrhunderten zur Jagd eingesetzt und daraufhin selektiv gezüchtet.
  • Erlerntes Verhalten / Langeweile

    (Hinterher-)Jagen macht dem Hund nämlich auch einfach Spaß!

 

Eine Jagdsequenz besteht aus sieben Teilen:

 

  • Orientieren (mit Augen, Nase, Ohren)
  • Fixieren (steif stehen bleiben, alle Sinne nach vorn gerichtet)
  • Pirschen (hinlegen, anschleichen, Fährte verfolgen)
  • Hetzen (hinterherrennen, buddeln)
  • Ergreifen (mit den Zähnen)
  • Töten (auch mit den Zähnen)
  • Fressen (wiederum mit den Zähnen)

Die Erregung des Hundes steigt vom Orientieren zum Töten hin ständig an und nimmt dann mit dem Fressen wieder ab. Jedes dieser sieben Elemente ist selbstbelohnend und das nutzt man bewusst für ein gutes Antijagdtraining. Im Übrigen kann man dem Spruch „ein Jagdhund kann nur bei einem Jäger glücklich werden“ in Zukunft mit einem Nicken und Lächeln begegnen. Dieses Argument ist schlicht hinfällig. Denn auch ein Jäger muss ein Antijagdtraining durchführen. Er möchte schließlich nicht, dass sein Jagdgebrauchshund das zu erlegende Tier tötet und frisst, sondern dass er vorsteht und so weiter.

 

Es jagen nicht nur die Jagdhunde – je nach Hundetyp und der für ihn zugedachten Aufgabe(n), sind bestimmte Verhaltensweisen besonders ausgeprägt. Einige Beispiele:

  • Hütehunde (z.B. Border Collie, Australian Shepherd, Sheltie): Fixieren, Pirschen, Hetzen
  • Windhunde (z.B. Afghane, Galgo, Whippet): Hetzen, Ergreifen
  • Vorstehhunde (z.B. Pointer, Setter, Weimeraner): Orientieren, Fixieren
  • Retriever (z.B. Labrador, Golden Retriever, Spaniels): Fixieren, Ergreifen & Apportieren

 

Für ein sinnvolles Antijagdtraining muss man erkennen, welche Teile der Jagdsequenz beim betreffenden Hund besonders ausgeprägt sind. Darauf basiert nicht zuletzt die Entscheidung mit welchem Hobby (z.B. Nasenarbeit, Dummy-Training,…) man den Hund glücklich machen kann. Die Rassebeschreibung kann dafür durchaus ein Anhaltspunkt sein, aber nicht jeder Hund kann lesen. 😉

 

 

Das Antijagdtraining baut sich aus mehreren Faktoren auf

 

Grunderziehung: Sie ist die Basis für jedes Mensch-Hund-Team. Das sind die Übungen, die man in jeder Hundeschule lernt wie „Sitz“, „Platz“, „Bleib“, „Komm her“ usw..

Impulskontrolle: Der Hund lernt sich zurückzuhalten, unter stets steigender Ablenkung und Reizstärke. Das geht vom Leckerli in der Hand bis hin zur kontrollierten Begegnung mit Wild (z.B. in einem Wildpark).

Alternativverhalten aufbauen: Das heißt, der Hund lernt auf Zuruf hin z.B. zu buddeln, anstatt hinter Nachbars Katze herzurennen. Das ist ein gesellschaftlich akzeptables Jagdverhalten und funktioniert am besten durch Clickertraining.

Schleppleinentraining: Sie ermöglicht dem Hund nicht nur einen größeren Freiraum auf Spaziergängen, sondern kann bei gutem Training (!) dazu führen, dass er irgendwann auch ohne Leine einen bestimmten Radius um den/die HalterIn beibehält.

Geistige und körperliche Auslastung: Hier gilt es eine Balance zwischen beidem zu finden. Das gilt natürlich immer für jeden Hund – egal ob er jagen möchte oder nicht.

Hobbies: Aus der Jagdarbeit haben sich verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten für den Familienhund entwickelt, z.B. Dummytraining, Fährtenarbeit oder Mantrailing, Hunderennbahn,…

Management: Naheliegend ist es, wildreiche Orte zu vermeiden. Die Leine hilft, Jagderfolge zu verhindern. In manchen Fällen kann ein Maulkorb notwendig sein. Auch der muss antrainiert und darf dem Hund nicht einfach übergestülpt werden.

 

Wieso nicht einfach unterdrücken?

 

🐇Es gibt viele Anekdoten von HundebesitzerInnen, die von „Fiffys“ letzter Jagdsession handeln: 🐇

„Wir gehen spazieren, da rennt uns plötzlich ein Hase über den Weg. Da kann ich „Fiffy“ echt nicht mehr mit der Leine halten. Die beiden flitzen also mit Karacho durch einen Dornbusch, dann einen Elektrozaun und anschließend noch über einen Bach. Das hat ihm gar nix ausgemacht. Da war Meister Lampe auch schon in seinem Bau verschwunden. „Fiffy“ versuchte irgendwie ran zu kommen, aber merkte, dass es keinen Zweck hat. Ja, da steht er dann und guckt blöd. Aber glaubst du, der traut sich den selben Weg zurück zu kommen? Nee, nicht mal durch den Bach wollte er – da könnte man sich ja die Pfötchen nass machen. Und ich steh da und rufe und tue, aber nix zu machen. Ich musste das Feld einen halben Kilometer umlaufen, um ihn auf einem Seitenweg wieder einzufangen.“

So oder so ähnlich wird dann erzählt. Man kann sich bildlich vorstellen, wie „Fiffy“ hilfesuchend da steht und hofft, dass Frauchen/Herrchen eine Lösung für seine Bredouille findet. Es gibt aber noch mehr aus diesen Erzählungen heraus zu lesen: Zum Beispiel, dass die Leine keinen 100%igen Schutz bietet. Man sollte zwar stets auf alles gefasst sein, aber Wildtiere rennen einem wirklich gern unvermittelt über den Weg und wer kann da schon so schnell reagieren?
Vor allem zeigt die Geschichte mit dem Hasen, dass der Hund während der Jagd ein vermindertes Schmerzempfinden hat und der Selbstschutz ausgeschaltet wird. Daraus kann man wiederum schließen, dass es keinen Sinn macht, ein Jagdverhalten mit (körperlicher) Strafe austreiben zu wollen. Im besten Fall bemerkt „Fiffy“ das Strom- oder Sprühhalsband gar nicht, weil er mit Adrenalin voll gepumpt ist und nur noch „Hasi-Hasi-Hasi“ im Kopf hat. Im schlechtesten Fall führt eine übertriebene Strafe zu Fehlverknüpfungen und der Hund hat plötzlich Angst vor Waldwegen, Kühen oder blauem Himmel – je nachdem was er im Moment der Strafe sonst noch so wahrgenommen hat. Mal ganz abgesehen von der Tierschutzrelevanz solcher „Methoden“.

 

Deshalb:

 

Wie ihr euren Hund am besten auslastet und welches Hobby ihr ihm im Zuge des Jagdersatztrainings anbietet, könnt ihr bei einer guten Hundeschule oder einem/r HundetrainerIn erfahren. Achtet bei der Wahl dieser darauf, dass mit positiver Verstärkung gearbeitet wird.

Die gemeinsame Beschäftigung mit eurem Hund im Antijagdtraining wird eure Bindung zueinander stärken und die gegenseitige Kommunikation verbessern. Ein guter Rat vom Trainer noch zum Schluss: Geht immer mit einer gehörigen Portion Spaß an die Sache 😉 – dann klappt’s auch.