Leitfaden für neue & alte Hundehalter*innen

Planen Sie einen Vierbeiner bei sich aufzunehmen? Lesen Sie unbedingt vorher unsere DOs & DON’Ts vom Hundetrainer mit einigen der gängisten Stolperfallen bei der Tierschutz-Hundehaltung durch. Manche Handlungsanweisung zur Tierhaltung aus alten Tagen ist unzeitgemäß und viele neue Erkenntnisse helfen Hundehalter*innen, heute besser mit ihrem Liebling zurechtzukommen.

 

DOs: Das sollten Sie tun

 

1. Wer genau liest, ist im Vorteil

Die Hundehilfe Toskana gibt sich größte Mühe alle Hunde aufrichtig und möglichst ohne Beschönigungen zu beschreiben: Lesen Sie sich die Beschreibungen der Hunde aus dem Auslandstierschutz mit besonderer Aufmerksamkeit durch.
❗️Bilder sprechen naturgemäß eher unsere emotionale Seite an und wir überlesen vielleicht in der spontanen Verliebtheit ein wesentliches Detail, wie z.B. dass der Hund, für den wir uns interessieren, ängstlich ist und nur an erfahrene Personen vermittelt wird.❗️


2. Ein Hundeplatz reicht

Ist der Hund bereits bei Ihnen angekommen, weisen Sie ihm einen Platz zu (z.B. ein Hundebett, Körbchen oder Hundebox). Das ist sein Rückzugsort und dort wird er von allen Hausbewohner*innen in Ruhe gelassen. Seine neue Wellness-Oase steht an einem Ort in der Wohnung, wo er auch die Chance hat sich zurückzuziehen, also nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Er findet hier immer mal wieder einen Hundekeks oder einen Kauknochen, womit er sich ruhig beschäftigen kann. Anfangs ist es sinnvoll, ausschließlich diesen einen Ort als Hundeplatz zu etablieren, denn das sorgt aus Hundesicht für eine gewisse Überschaubarkeit.❗️Das ist kein in Stein gemeißeltes Gebot und kann nach einer entsprechenden Eingewöhnungszeit wieder aufgeweicht werden.❗️

 

3. Eingewöhnung durch Struktur

Ein möglichst strukturierter Alltag hilft Ihrem Hund sich an ein Leben im Haus und an den Rhythmus seiner Bewohner*innen zu gewöhnen, denn das kennen die Hunde aus dem Ausland in der Regel nicht. Halten Sie bestimmte Zeitspannen ein, in denen Gassi gegangen wird, es Futter gibt und vor allem häufige Entspannungseinheiten. So kann sich auch der Stoffwechsel des Hundes schneller an die neue Lebenssituation anpassen (was z.B. hilfreich beim Stubenrein-Werden ist).
❗️Zeitspannen sind auf längere Sicht sinnvoller als genaue Uhrzeiten, da Sie auf Dauer z.B. nicht jeden Tag punkt 18:30 Uhr das Abendbrot vorsetzen können. Wenn nötig, stellen Sie für alle Familienmitglieder einen schriftlichen Stundenplan auf.❗️

 


4. Den Hund richtig sichern


❗️Benutzen Sie in jedem Fall ein sogenanntes Panikgeschirr.❗️Das sind spezielle Geschirre, die einen zusätzlichen Gurt im Bereich der Taille haben und so ein Herausschlüpfen verhindern (siehe Bild oben). Man kann nie vorausahnen, vor welchen Reizen sich der Neuhund erschreckt oder welche Tiere seine Jagdambition wecken! Ein Halsband ist lediglich dazu da, um den Hund doppelt zu sichern. Wir haben zum Thema bereits einen sehr detaillierten „Ausbruchsguide“ veröffentlicht: Link dazu hier

 

5. Immer die gleiche Leier

Gehen Sie in den ersten Wochen immer die gleiche Strecke spazieren. So findet Ihr Hund den Weg zurück, falls er doch einmal ausreißen sollte und kann sich schneller an die überwältigend vielen Eindrücke gewöhnen, mit denen er in seiner neuen Heimat konfrontiert ist.
❗️Unsere Schützlinge haben zumeist ein Leben im Zwinger gefristet und kennen sich mit der Welt da draußen nicht aus. Merken Sie nach einiger Zeit, dass Ihr Hund während und nach dem Spaziergang ruhiger ist, können Sie damit beginnen, die Gassirunden auszudehnen.❗️

6. Spazieren-stehen statt Spazierengehen

Besonders umweltunsichere Hunde brauchen länger sich an die vielen neuen Gerüche und Außenreize (z.B. vorbeifahrende LKW, im Wind flatternde Fahnen, Mülltonnen etc.) zu gewöhnen. ❗️Gehen Sie also nicht im Stechschritt die gewohnte Runde, sondern bleiben Sie stehen, wenn es der Hund verlangt.❗️ So kann er sich mit der Situation auseinandersetzen und lernen, damit umzugehen. Zusammen zu flüchten ist eher kontraproduktiv. Ausnahmen davon sind wirklich gefährliche Situationen und Hunde, die bei den kleinsten Veränderungen in ihrer Umwelt in völlige Panik verfallen (Anzeichen wären z.B., dass der Hund sich verängstigt in eine Ecke drückt, sich einpinkelt oder plötzlich seine Analdrüse leert).❗️Kontaktieren Sie bitte in so einem Fall unbedingt eine/n kompetente/n Hundetrainer*in! Der nachstehende Leitfaden im Link hilft Ihnen bei der Wahl eines/r geeigneten Trainers/in: Link dazu hier ❗️


7. Die Körpersprache ist der Schlüssel

Sind Sie Anfänger*in in der Hundehaltung? Dann beschäftigen Sie sich eingehend mit der spezifischen Körpersprache der Hunde. Diese gibt einen guten Hinweis auf den Gemütszustand Ihres Schützlings. So lernen Sie Situationen mit Ihrem und anderen Hunden richtig einzuschätzen. Ihr Hund wird merken, wenn Sie unsicher sind oder seine körpersprachlichen Ausdrucksweisen nicht verstehen. Auch hierfür sind die besten Ansprechpartner*innen die örtliche Hundeschule oder ein/e zertifizierte/r Hundetrainer*in.

 

8. Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut

❗️Üben Sie sich in Geduld und Ruhe, in jeder Situation.❗️ Wer – wie die meisten unserer Hunde aus dem Auslandstierschutz –  wenig in seinem Leben kennengelernt hat, kann nicht sofort und zu jeder Zeit in unserer komplizierten Menschenwelt funktionieren. Je verbissener Sie etwas vom Hund abverlangen, desto weniger wird er bereit sein, zu kooperieren. Je hektischer Sie selbst bei Stress reagieren, desto schwieriger wird es für Ihre Fellnase, sich im neuen Leben zurechtzufinden. Tief ein- und wieder ausatmen, lautet daher Ihr neues Mantra. Das ist der erste Schritt zum Erfolg. Das sagt sich so leicht? Hauptsache, Sie probieren es aus…

 

 

 

DON’Ts: Das sollten Sie lieber lassen

 

1. Vertrauen geht vor Körperpflege

Unsere Hunde haben vor Einreise nach Deutschland nicht in klinisch reinen Umständen gelebt und eine lange, strapazierende Fahrt hinter sich. Manchmal bringen sie daher einen gewissen Muff mit. ❗️Bitte widerstehen Sie dem Drang nach Reinlichkeit und baden Sie die Hunde nicht direkt nach Ankunft.❗️ Es mag sein, dass manche Hunde damit überhaupt kein Problem haben, aber das können Sie vor dem Bad nicht einschätzen. Eine vertrauensbildende Maßnahme sieht anders als eine „kalte Dusche“ als Willkommensgeschenk aus. Tipp: Fürs Erste groben Schmutz sanft mit einem feuchten Waschlappen entfernen. Zum Abholen des Hundes legen Sie alte Handtücher/Decken im Auto und im Hundebett daheim aus.

2. Die Macht über das Futter

Dass man einem Hund von Anfang an deutlich machen muss, wer „die Hosen anhat“, hört man leider immer noch in Hundehalterkreisen. Dazu kommt dann oft der „Ratschlag“, dass man dem fressenden Hund den Futternapf unter der Nase wegziehen können muss. Unsere Toskana-Hunde kommen in den meisten Fällen von einem Jäger. Dort wurden sie nur sporadisch gefüttert. Von daher hat das Futter einen vielleicht noch höheren Wert für die Auslandstierschutzhunde, als für gut genährte vom Züchter in Deutschland. Dementsprechend hoch ist das Konfliktpotenzial, sollten Sie den obig zitierten „guten Rat“ befolgen. Sie, als Öffner*in der Dosen, bestimmen ohnehin darüber, wann der Hund sein existenzielles Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme befriedigen kann.
❗️Stellen Sie ihm daher sein Futter kommentarlos hin und lassen Sie ihn in Ruhe essen (oder alles hinunterschlingen). Verzichten Sie darauf, ihm sein Futter ständig wegnehmen zu wollen. Der Hund wird mit der Zeit lernen, dass er sein Fresschen gar nicht vor Ihnen verteidigen muss. Dieser Vertrauensvorschuss vermeidet auch schmerzhafte Beißvorfälle.❗️

 

3. Herzlich willkommen

Die Ankunft des neuen Hundes ist für alle Beteiligten eine aufregende Sache. Manch frisch gebackene/r Hundehalter*in möchte diesen großartigen Moment mit so vielen Verwandten, Bekannten wie möglich teilen und macht daraus ein Social Event. Die ganze Familie und die halbe Nachbarschaft soll daran teilhaben. Bei Kaffee und Kuchen will jeder das neue Familienmitglied einmal streicheln. Im Sinne der Hunde: Ein absolutes NO GO!
❗️Gestalten Sie die erste Zeit so ereignisarm wie möglich. Der Enthusiasmus über den geretteten Vierbeiner ist nachvollziehbar, aber das, was er am dringendsten braucht sind Struktur und Ruhe.❗️

 

4. Keine Völkerwanderungen

❗️Aus den gleichen Gründen wie oben ist anfangs von stundenlangem Spaziergehen in großen Hunde(halter*innen)gruppen abzuraten.❗️Man möchte vielleicht dem Hund in gutgemeinter Weise die Möglichkeit bieten, „mal so richtig zu laufen“ und Hundekontakte zu haben. Die Gefahr der Reizüberflutung mit den dazugehörigen Folgen ist aber einfach zu groß. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die angemessene Länge des Spaziergangs ist das Verhalten des Hundes direkt danach. Ist er völlig überdreht? Oder klappt er vollkommen erschöpft zusammen und schläft bis zum nächsten Tag durch? Das sind Hinweise darauf, dass der Spaziergang zu aufregend bzw. zu lang war. Bedenken Sie, dass die vierbeinigen Toskaner in ihrem bisherigen Leben wenig bis gar keinen richtigen Auslauf hatten. Sie sind oft unterbemuskelt oder stehen schlecht im Futter. Man würde ja auch nicht am ersten Tag, nachdem man vier Wochen im Bett gelegen hat, vollkommen untrainiert einen Marathon laufen…


5. Kevin allein zu Haus

❗️Lassen Sie Ihren Hund nie unbeaufsichtigt. Weder allein im Garten (siehe hier auch „Ausbruchsguide“- Link), noch mit Kindern oder Haustieren im selben Zimmer. Es ist ein absolut unnötiges Risiko für Vor- und Unfälle.❗️Muss der Hund auf Dauer längere Zeiten (aber bitte niemals mehr als 6 Stunden am Stück) allein zu Hause bleiben, wenn Sie z.B. wieder ins Büro gehen, dann bauen Sie das schrittweise/minutenweise auf. Nicht zur Tür hinaus gehen und das war’s (siehe auch Punkt Nr. 6.). Am besten ist es, eine/n Hundetrainer*in für einen reibungslosen Trainingsaufbau zu konsultieren.
❗️Ein Hinweis noch an dieser Stelle: Stundenlanges Alleinbleiben kann einige Wochen bis Monate Vorbereitungs- und Trainingszeit in Anspruch nehmen. Denken Sie an ihr Mobiliar, Ihre Türen und nicht zuletzt an das Wohlbefinden Ihres Hundes.❗️

 

6. „Da muss er durch“

Diesen Spruch höre ich als Hundetrainer öfter von Halter*innen, wenn sie eine Situation beschreiben, in der ihr Hund offensichtlich Unsicherheit zeigt. Ein Bespiel: Sie begegnen beim Gassigehen dem schlecht sozialisierten Nachbarshund mit seinem Halter. Sollte Ihr Hund dem ihm unangenehmen Artgenossen ausweichen dürfen oder „muss er da durch“? Meine Antwort: „Nein, muss er nicht.“ Denn eine Konfrontation, die übel endet, bringt niemandem etwas.
❗️Nehmen Sie Ihren Hund ernst und wechseln Sie im Zweifelsfall lieber souverän die Straßenseite. Sie sollen für Ihren Lumpi der Fels in der Brandung werden, der ihn versteht und nicht sehenden Auges in eine Gefahrensituation bringt. Das ist eine große Verantwortung, aber eben auch wesentlicher Bestandteil, der zur Tierhaltung dazu gehört. Bei starker, andauernder Unsicherheit Ihres Hundes sollte deshalb unbedingt ein/e Fachmann/frau zu Rate hinzugezogen werden.❗️

7. Den „bösen Mann“ nett füttern

Einige (nicht zwangsläufig alle) der Auslandstierschutzhunde haben schlechte Erfahrungen mit Menschen, besonders häufig mit Männern, gemacht. Oft wird geraten, dass die Person, vor der der Hund Angst hat, dem Vierbeiner etwas leckeres auf der Hand anbieten soll, um sich bei ihm „beliebter“ zu machen. Das mag zunächst schlüssig klingen. Der Haken an der Sache: Der Hund gerät in einen starken inneren Konflikt. Er möchte eigentlich die Distanz zu dem Menschen bewahren, aber er will auch die Wurst… Überwindet er sich, verknüpft er diesen inneren Widerspruch im schlechtesten Fall mit der Person. Das kann die Abneigung künftig noch verstärken. ❗️Sie haben zwei Möglichkeiten, die Sache sinnvoller zu gestalten: Entweder lässt die Person, hingehockt und das Gesicht abgewandt, den Hund selbst entscheiden, wann er sich ihr nähern möchte oder die Person wirft dem Hund Leckerbissen aus einiger Entfernung hin und verschwindet wieder, während der Hund nach dem Futter sucht. Dabei bitte keine Streichelversuche mit ausgestreckter Hand. Beide Möglichkeiten können helfen, die Person für den Hund positiv aufzuladen. Aber grundsätzlich tun Sie Ihrem Hund einen Gefallen, wenn Sie Konfrontationen eher vermeiden.❗️