Keiner da

Kann man Hunde (aus dem Tierschutz) alleine lassen?

 

Wichtige Hinweise für Interessent*innen & Neu-Hundehalter*innen

 

Vor kurzem gab es in dem jüngeren Ableger der ZEIT einen Bericht über eine Frau, die sich während des Lockdowns einen Hund aus dem Auslandstierschutz geholt hatte („Und nun zerlegt Lilly die Wohnung“, 12.6.21). Der Hund lebte vormals auf der Straße und wurde von einem Verein vermittelt. Die Studentin und ihr Freund besuchten die kleine Mischlingshündin auf ihrer deutschen Pflegestelle, bevor sie sie zu sich holten. Der Freund arbeitete auch während des Lockdowns ständig Vollzeit außer Haus. Die Studentin war ununterbrochen mit dem Hund zusammen bis sie nach einer Woche nach Adoption einen Arzttermin hatte und ihn zum ersten Mal allein zu Hause ließ. In dem Artikel stand dann schön beschrieben, was das kleine Hündchen in Abwesenheit von Herrchen und Frauchen geleistet hatte. Da war von Kratzspuren und zerbissenen Gegenständen die Rede. Es stellte sich also heraus, dass der Hund in Panik gerät, sobald er alleine gelassen wird. Der Artikel endet damit, dass der Hund leider abgegeben werden müsse, wenn er nicht in der nächsten Zeit lernt, alleine zu Hause zu bleiben, da ein Vollzeit-Praktikum anstünde und dann niemand mehr tagsüber da sei.

Leider scheint diese Geschichte exemplarisch dafür zu stehen, was gerade in Deutschland in einigen Haushalten passiert: während des Lockdowns wurde ein Hund in die Familie geholt und sobald die Beschränkungen im öffentlichen Leben zurückgenommen werden und die Normalität des Alltags wieder beginnt, stellt man sich die Frage „Kann der Hund allein zu Hause bleiben oder muss er weg?“.

 

Wir fassen die wichtigsten Punkte zum Thema Hund-alleine-zu-Haus-lassen und die Alternativen dazu hier zusammen:

 

1. Wie lange kann ein Hund allein bleiben?



In unseren Texten und während der Vermittlung weisen wir als Hundehilfe Toskana darauf hin, dass wir unsere Hunde gerne bei Menschen wissen, die nicht planen den Hund alleine zu lassen. Zumindest nicht übertrieben lange! Einem Vollzeitberuf von Montag bis Freitag nachzugehen und von 8:00 – 18:00 Uhr außer Haus zu sein und zu erwarten, dass der Vierbeiner in dieser Zeit ganz allein die Wohnung hütet, lehnen wir deshalb ab. Einem Hund, mit dem das Alleinebleiben trainiert wurde und er es gelernt hat (!), sind circa 4 – 6 Stunden zuzumuten. Aber auch das ist eine Verallgemeinerung und nicht auf jeden Hund zutreffend. Manche stecken es besser weg, andere weniger gut. Auf jeden Fall kann niemand erwarten, dass ein Hund wie in dem ZEIT-Artikel ohne Training und schon nach einer Woche ganz alleine in der Wohnung bleibt und das in Ordnung findet. Zu guter Letzt ist es immer noch ein ziemlich dröger Alltag, selbst wenn der Hund es gewohnt ist täglich 4 – 6 Stunden alleine zu bleiben.
Überlegen Sie es sich daher bitte ganz genau vor der Adoption eines Hundes, wie Sie Ihren Alltag mit dem Tier gestalten können. Welche Möglichkeiten es dafür gibt, steht in den nächsten Punkten.

 

2. Bürohunde…

…und Studien über ihre positiven Effekte auf das Arbeitsklima gibt es immer mehr. Selbstverständlich eignet sich nicht jeder Arbeitsplatz für den Aufenthalt eines Vierbeiners und nicht jeder Hund als Co-Kollege. Sprechen Sie am besten vor Adoption mit Ihren Vorgesetzten und Kolleg*innen, ob Sie einverstanden sind, wenn Sie einen Hund mitbringen. Wenn Zweifel bestehen, lässt sich möglicherweise ein Kompromiss finden, z.B. dass der Hund nur jeden zweiten Tag mit ins Büro kommt oder es eine anfängliche Probezeit gibt. Sollte Ihr Hund diese Probezeit nicht bestehen oder aus weiteren Gründen (z.B. weil er sich partout nicht mit den anderen Bürohunden versteht) nicht mehr mitkommen können, müssen Sie einen Plan B haben! Siehe daher auch Punkt Nr. 4.

 

3. Notfallplan



Es kann auch bei Menschen, die eigentlich im Homeoffice arbeiten oder einfach permanent daheim sind, von einem Moment auf den anderen passieren, dass sie das Haus verlassen müssen und der neu adoptierte Hund plötzlich alleine ist. Hätten Sie in so einer Situation jemanden, den sie kurzfristig anrufen und bitten könnten, spontan auf den Vierbeiner aufzupassen? Diese „Notfall“-Person (Nachbar/in, Freund/in, Bekannte/r, Arbeitskolleg/in …) muss der frisch adoptierte Hund auf jeden Fall kennenlernen und akzeptieren. Laden Sie diese Person mehrfach zu sich nach Hause ein und trainieren Sie, wie Sie für kurze Momente das Haus verlassen. Wie verhält sich der Hund? Gerät er in Panik, obwohl jemand anderes anwesend ist? Das wäre ein sicheres Zeichen dafür, dass man die Notfall-Betreuung noch kleinschrittiger und geduldig trainieren muss. Gleiches gilt für den Aufenthalt in einer dem Hund unbekannten Wohnung.

 

4. Gassi-Service und HuTa

Bei einem Vollzeitjob-Alltag ist es sinnvoll, sich nach guten Hundebetreuungsangeboten umzusehen. Es gibt viele verschiedene Modelle: vom stundenweisen Gassi- oder Dog Walking Service, der den Hund zu Hause einsammelt und auf einen längeren Spaziergang in den Wald mitnimmt, über Hundetagesstätten, die ähnlich wie KiTa oder Kindergarten funktionieren, hat sich mittlerweile eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten entwickelt und das sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Informieren Sie sich bitte vor Adoption über Angebote in Ihrer Umgebung und über deren Preise. Es macht absolut Sinn sich telefonisch oder sogar vor Ort bei der HuTa, der Tierpension oder dem Gassiservice nach freien Plätzen und den vorhandenen Erfahrungen und Qualifikationen zu erkundigen. Nicht jede/r kann oder möchte sich mit einem eventuell umweltunsicheren oder ängstlichen (Auslandstierschutz-)Hund auseinandersetzen. Vereinbaren Sie dann einen (oder mehrere) Probetag(e) für Ihren Hund und werfen Sie ihn nicht ins kalte Wasser.

💡 Was ein Dog Walking Service genau macht, haben wir hier in einem Erfahrungsbericht beschrieben.

 

5. Trainieren statt frustrieren

Man sollte sich mental im Vorfeld darauf einstellen, dass der neue Hund das Alleinebleiben sehr wahrscheinlich nicht beherrscht. Wir sind alle – Hunde und Menschen – soziale Tiere. Wir brauchen Gesellschaft – vor allem die, die wir schätzen und die uns Sicherheit und Freude gibt. Probieren Sie deshalb einfach nach ein paar Tagen nach Ankunft des neuen Hundes aus, wie viel Alleinsein er erträgt. Für manche ist es schon schwierig, wenn Sie für ein paar Minuten alleine ins Badezimmer gehen wollen… Merken Sie, dass Sie einen extrem unsicheren oder ängstlichen Hund haben, dann kontaktieren Sie am besten zeitnah eine/n erfahrene/n Hundetrainer*in und schmieden Sie gemeinsam einen Trainingsplan. So ein Training lässt sich nicht innerhalb einer Woche abschließen, das sollte Ihnen bewusst sein. Jedoch kommen die Erfolge mit der Kontinuität des Trainings – von daher: DRANBLEIBEN hilft.

💡 Wie man den/die richtige/n Hundetrainer*in auswählt, haben wir in einem Text beschrieben: hier.

 

6. Urlaubspläne

Traurig aber wahr: Haustiere werden vermehrt während der Urlaubssaison abgegeben oder sogar ausgesetzt. Wenn man sich Monate Zeit nimmt, um die Ferien zu planen, muss auch Zeit dafür da sein, sich um eine adäquate Betreuung für das vierbeinige Familienmitglied zu kümmern. Wenn Sie auf Ihren Urlaub auf Ihrem Dauercampingplatz oder in Ihrem Lieblingshotel keinesfalls verzichten wollen, dann erkundigen Sie sich bitte vor einer Adoption, ob dort Hunde gestattet sind. Gleiches gilt für Restaurantbesuche: wenn man bei Reservierung kurz anfragt, ob es in Ordnung ist, wenn ein Hund mitgebracht wird, kann man unangenehme Situationen vermeiden. Es kann nicht schaden, sich bei Fluglinien über die Mitnahmebedingungen von Hunden zu erkundigen. Zumindest weiß man dann im Vorfeld bescheid, ob man seinem Vierbeiner einen Flug zumuten kann und möchte oder nicht. Soll der Hund für die Zeit des Urlaubs in eine Hundepension oder zu Verwandten, dann planen Sie die Zeit für die Eingewöhnung mit ein.

 

 

Aus Sicht der Hunde:

 

Ein Hund aus dem Auslandstierschutz hat einfach keinen lückenlosen Lebenslauf. Wir als Verein, die Vermittler*innen und selbst unsere sehr engagierten und ortskundigen Tierschützer*innen in Italien können die Vorgeschichte unserer Hunde nicht ganz genau kennen. Das muss unbedingt mit eingepreist werden, wenn man sich für einen Hund aus dem Auslandstierschutz entscheidet. Selbst wenn der Hund das Alleinbleiben auf einer Pflegestelle schon geübt hat und akzeptiert, ist das keine Garantie, dass er es ebenso in seinem neuen Zuhause beherrscht. Zumal die Hunde meist aus – aus ihrer Sicht – völlig instabilen Verhältnissen stammen und dann noch die Erfahrung des Aufenthalts in einem lauten Tierheim machen, um anschließend an einen ihnen völlig unbekannten Ort gebracht zu werden, an dem ihnen viele Dinge und Geräusche fremd sind. Das sind die Gründe warum man die Neuankömmlinge aus dem Auslandstierschutz nicht mit seinen eigenen Erwartungen („Muss jetzt lernen allein zu bleiben. Soll sich benehmen und ruhig sein. Soll mit allen Menschen und Tieren klarkommen. Soll einfach funktionieren.“) überfrachten darf. Es braucht Zeit und auch die nötige Unterstützung, dass der Hund ankommen kann und sein neues Zuhause annimmt und sich darin wohl fühlt. Eine Woche reicht dafür definitiv nicht aus.

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