Wo Menschen leiden, leiden Tiere erst recht

Wie steht es um den Tierschutz in der Corona-Krise?

 

Noch vor wenigen Wochen war Corona etwas weit entferntes, was uns hier nicht betrifft. Doch die Situation hat sich in Italien besonders schnell und dramatisch verändert und das vor unseren Augen. Mittlerweile haben wir das Virus in Deutschland und auch unser Leben ist von den neuen Umständen geprägt. Die ehrenamtliche Arbeit der Hundehilfe Toskana war von einem auf den anderen Tag in ihrer Hauptaufgabe – der Vermittlung und dem Transport von italienischen Hunden nach Deutschland – erschwert. Doch für uns ist es selbstverständlich, dass wir die Unterstützung unserer italienischen TierschützerInnen nicht aufgeben – gerade jetzt nicht! Sie helfen den Hunden in normalen Zeiten schon unter komplizierten Bedingungen und erleben im Moment zusätzliche, bedrückende Hindernisse. Unsere Hauptansprechpartnerin und -vertrauensperson Chiara, berichtet von den Erschwernissen, die die Ausgangsbeschränkungen der italienischen Regierung ihr und ihren ehrenamtlichen HelferInnen auferlegen.

Sie schreibt, dass alle seit Anfang März durch den Beschluss der Regierung in ihren Wohnungen bleiben müssen und noch kein Enddatum dieser Ausgangssperre in Aussicht gestellt ist. Alle ItalienerInnen dürfen das Haus nur für Einkäufe (eine Person pro Haushalt) oder aufgrund von gesundheitlichen Notfällen verlassen. Die meisten Menschen können ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen (Stand Mitte April 2020). Soweit sind diese Einschränkungen für uns tatsächlich nachvollziehbar, doch sie gehen weiter, als in Deutschland. Denn Chiara berichtet, dass es verboten ist, die Grenzen der eigenen Gemeinde zu überschreiten. Das ist ein großes Problem für sie. Denn das privat geführte Tierheim, wo ein Teil der Hunde untergebracht ist, die in ihrer Obhut stehen, liegt in einer anderen Gemeinde. Die rund 20 km, die Chiara so oft mit ihrem Auto zurücklegt, sind zu einer scheinbar unüberwindbaren Strecke geworden.

Ein weiterer Epidemie-Beschluss, der einen Riegel vor ihre ehrenamtliche Arbeit schiebt: Ausschließlich Festangestellte des Tierheims dürfen die Hunde versorgen. Normalerweise ist Chiara täglich nach ihrem regulärem Broterwerb im Heim und sieht nach den Hunden. Sie fotografiert und filmt sie für die Vermittlung, sie verabreicht Medikamente, bringt Futterspenden, sie schaut nach dem Rechten, tröstet und kuschelt die Hunde. Die Vierbeiner lechzen nach Aufmerksamkeit der TierschützerInnen und PflegerInnen – der Alltag im Heim ist für sie eintönig und stressig. Es herrscht ein hoher Lärmpegel. Wenige Hunde haben die Möglichkeit, einmal am Tag über die umzäunte Wiese des Tierheims zu flitzen. Selbst dieser einzige Lichtblick fällt unter den gegebenen Umständen flach. Denn die angestellten PflegerInnen dürfen nur das Notwendigste in den Zwingern verrichten: Schnell Füttern, den Boden säubern und wieder raus. Gerade die traumatisierten, ängstlichen Hunde haben nun nicht mal die Chance sich an einen positiven Umgang mit Menschen zu gewöhnen – dafür fehlt schlicht die Zeit.

Chiaras Befürchtung ist, dass einer der Hunde krank wird, da selbst der Besuch beim Tierarzt im Moment nur im absoluten Notfall erlaubt ist. Weitere Einschränkungen gibt es dadurch, dass die Menschen dazu verpflichtet sind einen Passierschein bei sich tragen, sobald sie ihre Wohnung verlassen. Dort müssen Adresse und Ziel eingetragen sein und warum die Person unterwegs ist. Alles hat genau geplant zu werden. Falls die Polizei eine Kontrolle durchführt und etwas nicht stimmt, stehen Strafen aus. Der Organisationsaufwand, den die TierschützerInnen immer haben, hat sich verdoppelt. Jede/r versucht so gut er/sie kann, sich um die Tiere in der näheren Umgebung zu kümmern. Dennoch plagen Chiara die Sorgen um die Hunde im Tierheim. Deren ohnehin schon trübseliger, einsamer Alltag bietet jetzt noch weniger Abwechslung. Zudem rücken die Adoptionen in den Hintergrund. Die wenigen ItalienerInnen die bereit sind, einen Hund aus dem Canile zu übernehmen, dürfen nicht hinein kommen. Die bereits vermittelten Hunde können nicht von Italien nach Deutschland ausreisen. Die Auffangstellen müssen aber für ihre Hunde die Kosten weiterhin tragen. Neue Hunde müssen abgelehnt werden, weil es keine freien Kapazitäten gibt. Dabei ist Ende des Winters die Jagdsaison vorbei – eine Phase, in der die Jäger die „untauglichen“ Hunde gehäuft los werden.

 

In Zeiten von Corona kommen weitere erschwerende Faktoren hinzu.

Menschen, die am Virus sterben und deren Hunde von heute auf morgen ihr Zuhause verlieren, um die sich keiner kümmert. Sie müssten von den TierschützerInnen abgeholt werden, was aufgrund der Ausgangsperre nicht möglich ist. Chiara bereiten auch die Tiere, die auf den Straßen leben, große Sorgen. Wer kümmert sich um die vielen Katzen, die sie sonst in den Nachbardörfern mit füttert? Wer füttert die zahlreichen Streuner in Süditalien, die sich sonst von Essensresten aus den Bars und Restaurants ernähren und die jetzt alle geschlossen sind? Der Norden Italiens ist generell wohlhabender, als der Süden des Landes. Hier sitzen wichtige industrielle Produktionsstätten. Die Corona-Krise hat genau in dieser Region bislang besonders hart zugeschlagen. Menschen, denen es überdurchschnittlich gut ging, haben ihre Einkommensgrundlage verloren. Das geht vielen so und Chiara bemerkt bereits, dass die Hilfen aus dem Norden weniger werden oder ganz abebben. Eine weitere Stütze die ihr weggebrochen ist.

Dabei sind die Tiere in Italien von Mittelmeerkrankheiten wie zum Beispiel Leishmaniose bedroht. Diese Krankheit wird durch Sandmücken übertragen, die in dieser Jahreszeit Fahrt aufnehmen. Um die Hunde vor ihnen und anderen Parasiten zu schützen, legt man eigentlich jetzt Halsbänder an, ähnlich Flohhalsbändern. Chiara hat nicht nur das Problem, dass sie sie einkaufen muss. Man stellt sich vor, wie sie einem Polizisten in einer möglichen Straßenkontrolle erklärt, dass sie auf dem Weg zur Apotheke ist, um Flohhalsbänder zu kaufen… Sie ist zudem auf die Hilfe Dritter angewiesen, um die Halsbänder oder Medikamente überhaupt zu den Hunden zu bekommen. Das Netzwerk der freiwilligen HelferInnen ist nicht groß genug und so sieht sie sich gezwungen, einen Kurierdienst dafür zu bezahlen. Mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ist es noch einmal eine andere Sache. Einer der Hunde den Chiara vermittelt, braucht eine bestimmte Arznei für eine nicht lebensbedrohliche Erkrankung. Per Video muss er dem Tierarzt vorgestellt werden, der etwas verschreibt. Doch für die Polizei ist es einfach kein ausreichender Grund das Haus zu verlassen, um das Medikament zu kaufen.

Chiara schreibt, dass sie noch viele Beispiele aufzählen könnte, wie die Krise die Hilfe für die Tiere fast unmöglich macht. Besonders bitter ist, dass sie weiß, wo Hunde in Schuppen und Zwingern abseits von Siedlungen untergebracht sind. Die BesitzerInnen dürfen die Hunde auf ihrem eigenen Land zwar besuchen, aber nicht täglich. Sie befürchtet, dass viele ihre Hunde hungern lassen, weil sie das Risiko einer Kontrolle scheuen. Es sind belastende Gedanken, die sie nicht beiseite schieben kann. In Zeiten, wo viele ihre Hilfe aussetzen, weil sie möglicherweise selbst existenzielle Probleme haben oder sich um Angehörige sorgen, ist es umso wichtiger, dass wir für die TierschützerInnen in Italien und anderen europäischen Ländern da sind.

 

Was jeder tun kann, der gern helfen möchte:

 

  • Das Einfachste ist auf unser Konto zu spenden. Die Hundehilfe Toskana steht in engem Kontakt mit den italienischen HelferInnen und kann dringend benötigte Dinge erfragen, kaufen und verschicken.
  • Eine Patenschaft für einen der Hunde deckt Ausgaben für seine Versorgung. Unsere Ansprechpartnerin für Patenschaften Ute Fuchs hilft bei Fragen dazu gerne weiter!
  • Angebrochene oder abgelaufene Medikamente (z.B. Tabletten gegen Flöhe, Würmer oder Giardien) und die erwähnten Halsbänder gegen Zecken und Sandmücken sind auch als Sachspenden herzlich willkommen. Wir haben eine Spendensammelstelle, an die ihr eure Päckchen versenden könnt. Schreibt eine Mail – wir geben die Adresse gerne weiter: info@hundehilfe-toskana.de
  • Wollt ihr unsere und Chiara’s Arbeit aktiv unterstützen? Sprecht über die Hundehilfe Toskana. Besucht und teilt unsere Website und unsere Social Media Accounts auf Facebook und Instagram.
  • Und wer langfristig einen Hund adoptieren möchte, kann sich natürlich weiterhin bei unseren Vermittlerinnen Diana Vogt und Birgit Mieske melden. Der nächste Transport findet statt, sobald es wieder möglich ist. 🍀