Segugio italiano

Segugio/Segugia/Segugi – a pelo raso/a pelo forte

Mit Segugi auf Du und Du – eine natürlich vollkommen objektive Beschreibung – aus dem Alltag mit Foco und Stella.

Was sich anhört wie aus dem „Italienisch-Grundkurs der Volkshochschule Radevormwald“ bezeichnet nichts weniger als die wunderbarste Hunderasse der Welt – natürlich neben den vielen anderen wunderbarsten Hunderassen der Welt und den wunderbarsten Verbindungen aus allen Varianten.
Aber hier geht’s nun mal um – platt eingedeutscht – „Sehgudschio“, mit Schwerpunkt auf der kurzhaarigen (a pelo raso) Variante. Die kenne ich sozusagen persönlich.
Hinweisen möchte ich gleichwohl auf die rau- bzw. langhaarigen (a pelo forte) Spielarten. Besonders ambitionierte Anhänger der jeweiligen Form werden mir reflexartig widersprechen, wenn ich gewagt behaupte, dass diese sich jedoch bis auf die Optik nicht sonderlich unterscheiden. Ich bin aber der Meinung, dass die rauhaarigen nur deshalb als etwas forscher gelten, da die Menschen mit der subjektiv etwas frecheren Optik auch eine gewisse Bereitschaft zum Draufgängertum gleichsetzen und sich dies wiederrum in der Erziehung niederschlägt…
Die hier beschriebenen Erfahrungen basieren auf dem Zusammenleben mit Foco (Rüde, fünf Jahre alt) und Stella (Hündin, 3 Jahre alt); beide Segui a pelo raso. Die zwei kommen aus unvorstellbar elenden Verhältnissen toskanischer Haltung und haben in ihren ersten Lebensjahren nichts Schönes erlebt. Als „Gebrauchshunde“ missbraucht, geschlagen, mit Stromtaktern gefoltert, gequält, fast verhungert, fast verdurstet, ohne jede positive Zuwendung…. Kurzum ein normaler Alltag für so viele Jagdhunde in Norditalien. Oft ist es kein Leben, sondern ein lebenslanges Sterben.
So kamen Stella und Foco über einen Tierschutzverein zu uns.
Oha! Mögen die geneigten Leserinnen und Leser denken. Hunde aus dem Süden, verstört, psychisch krank im schlimmsten Fall, verhaltensoriginell im besten. Flohquasten, Krankheitserregertransportunternehmen….. und am allerschlimmsten: KEINE Zuchtpapiere! Im Vergleich dazu scheinen aus Sicht vieler, vor allem selbst ernannter HundekennerInnen der Untergang der Titanic oder der Wirbelsturm Sandy über New York ja eher nachrangig.
Aber, und das mach Mut: Hurra, der Untergang des Abendlandes blieb aus. Die Hunde waren und sind gesund, nicht verstört und haben noch keine Familienmitglieder aufgegessen.
NEIN! Innerhalb kürzester Zeit, ja innerhalb weniger Tage oder sogar nur Stunden haben sie ihre Vergangenheit abgestreift, sich regelrecht gehäutet und genießen nun, von einer ganzen Familie umsorgt zu werden, mitten in und mit ihr zu leben.
Aber zurück zu den knallhart recherchierten Fakten. Und dazu gehört die offizielle Beschreibung der Rasse:
FCI Standard: Nr. 337
Gruppe 6: Laufhunde, Schweisshunde und verwandte Rassen
Sektion 1: Laufhunde
Ursprung: Italien
Rüden: 52-58cm
Hündin: 48-56
Gewicht: 18-28kg
Segugi aus FCI-anerkannter Zucht sind in Deutschland jedoch sehr selten. Meiner Erfahrung nach sind sie in unseren Breiten ganz überwiegend aus dem Tierschutz, sei es als „Eigenimporte“ aus Italien mitgebracht oder über Tierschutzvereine hierher gelangt.
Hinsichtlich Farbe, Wuchs und Fell sind allerlei Spielarten von fast beige, rotbraun, lohfarben bis überwiegend nahezu schwarz möglich. Aber wer weiß, ob da nicht in der Familie, vor Generationen, mal eine andere Rasse mit spielte – voller Vergnügen hat sich einfach mal ein flegelhafter, umso charmanterer Pointer, Lagotto, Maremanno oder gar ein Feriengast aus dem Norden eingebracht …. wo die Liebe hinfällt eben.
Sei’s drum: Genug der Beschreibung der Norm. Mir ist im Zusammenhang mit Lebewesen allzu starkes fokussieren auf die „Rasse“ und deren scheinbare und unabdingbare Normen nicht sehr wohl. Ich lasse es darum hiermit sein und leite locker in die Historie und damit den Bereich „Bildungsbürgerwissen“ über:
Die Ursprünge der Segugi liegen wohl im alten Ägypten. Dort wurden diese Hunde zur Jagd eingesetzt. Später kamen sie mit phönizischen Kaufleuten nach Italien. In vielen Museen Italiens sind Bilder mit Jagdszenen zu sehen, auf den Segugi abgebildet sind. Immer edel, immer mit dem begehrten Wildbred.
Damit wäre wir auch schon wieder beim Hier und Jetzt und einem bedeutenden Wesenszug: Segugi jagen. Und zwar grundsätzlich alles was irgendwie ins persönliche Beuteschema passt. Hasen, Kaninchen, Eichhörnchen, jeden Kleinsäuger sowieso. Aber auch Rot- und Damwild, Wildschweine und und und und….. Das kann im Alltag schon zur Herausforderung werden. Durchaus ist es möglich die Segugi nicht nur abzuleinen, sondern sie sogar dahin zu bringen auch abrufbar zu sein. Dafür muss aber die Bindung zwischen Hund und Mensch sehr stark sein und die Umgebung sollte nicht das Paradies der Jagdgöttin Diana schlechthin darstellen. Zudem wäre es sinnvoll, bereits geraume Zeit mit der Schleppleine geübt zu haben.
Dann klappt das. Ganz bestimmt. Vielleicht aber auch nie. Das muss man wissen und akzeptieren. Menschen die sich besonders stark fühlen bzw. ihr Ego insbesondere bestätigt sehen, wenn der Hund unangeleint und ungeachtet des Straßenverkehrs und anderer Unbilden bzw. Verlockungen neben ihnen läuft (oder auch nicht), sollten hier Verzicht üben. Klingt hart? Ja. Soll es an dieser Stelle auch!
Viel ist geholfen, wenn der Laufhund bekommt was er braucht: Auslauf! Lange Spaziergänge lieben die Segugi; intensives Schnüffeln kilometerweit, die Nase immer einen Millimeter über dem Boden. Die Lefzen gebläht und manchmal klappern die Zähne vor Aufregung. Wer den zart tänzelnden Hund mit dauerhaft stolz und edel erhobenem Kopf fordert ist hier falsch. Oder, im Falle der Bereitschaft seinen Geist und sein Herz doch zu öffnen: Genau richtig!
Denn: Wer das Wesen der Segui kennt, lernt es lieben. Auch wenn die Nase immer in Bodennähe ist.
Wer mit dem Jagdtrieb umgehen kann, findet in Segugi wunderbar sanfte, verschmuste und feinfühlige Freunde. Segugi binden sich sehr stark an ihre Menschen. Die ganze Familie wird umsorgt und bei jeder Gelegenheit wird durchgezählt, ob schon alle zuhause sind. Das ist natürlich ein Traum. Gleichzeitig aber auch eine Herausforderung. Denn wer sich als Hund so auf seine Menschen einlässt, erwartet natürlich auch eine entsprechende Antwort. Harte Erziehungsversuche oder gewaltsame Über-/Unterordnung werden hier genau das Gegenteil einer Partnerschaft begründen. Der Hund wird dann nicht mit seinen Menschen zusammenleben und sich wohlig im Rudel einordnen, weil er es liebt, sondern nur noch, weil er Futter bekommt. Das will wohl niemand.
Also: Allen Sanftmut der Segugi spiegeln wir in unseren Erziehungsstil – dann läuft das wie von selbst. Fast immer.

Sicher interessant ist, dass Segugi eigentlich nichts bewachen wollen. Das liegt offenbar einfach nicht in ihrem Wesen. Menschen die zu Besuch kommen werden meist vorsichtig-neugierig begrüßt, zart angeschnüffelt und nach kurzer Zeit in das häusliche Rudel aufgenommen. Und wer kein Haus bewacht, bellt auch wenig im trauten Heim. Hin und wieder ein freundlich-fröhliches Wuff. Das war’s meist. Ein wenig länger dauert die Phase der Vertrauensbildung, gerade bei Hunden aus dem Tierschutz, oft bei Männern. Warum? Na ja: „Mann=Jäger=der Typ, der mich jahrelang wie Dreck behandelt hat“. Nicht schwer nachvollziehbar. Oder?
Stumm sind Segugi aber beileibe nicht! Der Spurlaut kann durch Mark und Bein gehen. Eine schnelle Folge hoher bellender, jauchzender, röchelnder, röhrender Töne. Gerne auch alles gemeinsam – eine kalbende Rentierkuh im Chor mit Miles Davis Trompete aus „Aufzug zum Schaffott“, begleitet von zarten Geigentönen der ersten Übungsstunde, gepaart mit dem Schnarchen des Großvaters nach harter Gartenarbeit und drei Gläschen Obstler. Aber: Mit ein wenig Übung wird der Jagdtrieb im Bann gehalten (siehe oben) und der Spurlaut dann auch nicht mehr bei jeder Gelegenheit eingeschaltet.

Von Vorteil für das Zusammenleben im Haus ist sicher auch die geringe Neigung zum Haaren. Selbst zu Hochzeiten des Fellwechsels finden sich nur geringe Spuren im Haus. Das mag auch daran liegen, dass Segugi keine Unterwolle haben. Was zur Herausforderung an kalten Tagen werden kann: Als Mensch eines Segugio sollte man die innere Größe haben, dem Hund ein Mäntelchen anzuziehen. Auch wenn man sich eigentlich nie vorstellen konnte, so was Peinliches zu tun. Nur wer will bei kühler Witterung ein schlotterndes Häufchen Elend neben sich durch die Natur schleifen? Na also, abschließend ausdiskutiert.
Noch schlimmer (weil im ganzen Jahr vorkommend) als Kälte scheint mir jedoch Regen zu sein. Kleinste Regentropfen, nur ein Nieseln genügt, führt zu Fluchtreflexen ins sichere Haus zurück. Stella beweist an nassen Tagen, dass auch Hunde sehr weit auf Zehenspitzen trippeln können. Nie habe ich erlebt, dass sich Hunde so gerne abtrocknen lassen.

Zuhause angekommen schalten Segugi in einen vollständig anderen Modus. Ruhig, gelassen, zart um Zuneigung suchend, kuschelig und weich, immer in der Nähe ihrer Menschen. Man sieht und hört sie kaum. Wer also eine Begleitung ins Büro sucht ist hier genau richtig. Auch die vielbeschriebenen Hipster-LatteMacchiato-Mütter und -Väter können ihre Freude haben: Cafébesuche werden zum Vergnügen, wenn das fellige Familienmitglied sanft träumend unter dem Tisch liegt und sich freut einfach dabei zu sein. Überhaupt – Kinder sind toll. Sie haben immer was zu essen in der Hand, sind nicht so groß und – wenn einigermaßen sozialkompatibel erzogen (wie der Hund also) – auch echt super SpielkameradInnen. Segugi gehen sehr zart auch mit kleinen Kindern um. Aber auch hier gilt der unumstößliche Grundsatz: Hund und kleine Kinder NIE (im Sinne von NIE) alleine lassen. Kinder, besonders die kleinsten, sind unberechenbar (Ja, sind sie! ALLE! Ich habe eigene! Und die sind durchaus wohlgeraten und mit Hunden aufgewachsen.) Der Hund sollte NIE in die Situation gebracht werden, sich wehren zu müssen. Wer es anders sieht, sollte keinen Hund, egal welche Rasse oder Mischung, und vielleicht sogar keine Kinder haben. Oh je! Radikal? Ja! Soviel dazu. Danke.

Fazit: Segugi sind wunderbar. Lassen Sie sich darauf ein, wenn Sie so viele Vorzüge genießen wollen und einige wenige Herausforderungen bereits sind zu meistern.
Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen dabei viel Freude.